Der Sündenfall einmal anders

Erwerb
DATUM

06.08.2020

  • DATUM : 06.08.2020
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Prof. Siegfried Möller hat das Erscheinungsbild Fürstenbergs von 1938 bis in die 1960er Jahre maßgeblich geprägt und sein Schaffen wirkt in Reeditionen bis heute nach. Während seine Formen von schlichter Eleganz sind und heute schon als Klassiker gelten, zeigen seine Dekore den großen Fabulierer, der er wohl gewesen sein muss. Möller schuf neben einer Reihe von Vasen und Dosen drei Serviceformen, darunter die Form 668 Victoria la Couronne, die zwischen 1961 und 1966 ausgeformt wurde. Neben den 24 werksseitig für diese Form entworfenen Dekorausführungen sind besonders die zwei von Möller selbst gestalteten Dekore „Das Paradies“ und „Die Jagd“ hervorzuheben.

Beide sind in der Technik „auslasierter (handcolorierter) Stahldruck mit Gold achatpoliert“ ausgeführt. Hinter dieser etwas sperrigen Bezeichnung aus dem Dekorbuch verbirgt sich, dass Möller auf die Stich- wie Radierungstechnik der alten Meister zurückgriff, haarfeine Zeichnungen in mehrstufigen Ätzverfahren in Metallplatten eintiefte, einfärbte und die Farbe dann mit einem Trägerpapier auf das Porzellan übertrug. Dieses Stahldruckverfahren war an sich lange etabliert in Fürstenberg, aber in seiner Feinheit und in der immer wieder neuen Zusammensetzung von Grundmotiven zeigt sich die besondere Meisterschaft, die Möller mit dieser Dekorationsweise erreicht hat. Mehr noch als in der technischen Raffinesse findet sich in den genannten Dekoren die blühende Phantasie, die Möller mit seinen über 60 Jahren noch – oder vielleicht gerade in diesem Lebensabschnitt – hatte.

„Mit welcher inbrünstigen Liebe muß er Tier und Pflanze beobachtet haben. Nichts Akademisches haftet seinen Entwürfen an, denn es gehört zu Möllers Eigenart, leicht wie verspielt, im Skurrilen an Wesenhaftes zu rühren und nicht selten magisches Versonnensein längst verklungener Zeiten mit dem Geist unserer Tage zu verbinden. Einem weisen Humor entspringen die Wesen Möllers, der in sie eine höhere Intelligenz lächelnd hineinträgt“. So schrieb einst Otto Wiese, damaliger Leiter der Manufaktur, in seinem Heft „das Schöne und Fürstenberg“ im Jahr 1964.

Und wenn wir heute „Das Paradies“ betrachten, so sehen wir eben dies: Eine augenzwinkernde Annäherung an das große Thema der Schöpfungsgeschichte, die uns im Lichte der Gleichberichtigung von Mann und Frau neu erzählt wird. Auf der im Museum Schloss Fürstenberg vorhandenen Kaffekanne finden wir die Eva mit der verbotenen Frucht und die Schlange, so wie es uns seit Jahrtausenden vertraut erscheint. Der Adam scheint ihr willenlos zu Füßen zu liegen.

In dem Tête-à-Tête jedoch, in dem für zwei Personen die kleinere Kanne (Mokkakanne) vorhanden ist, wird die Geschichte anders erzählt: Hier ist es der Adam, der seine Eva in Versuchung führt, in dem er sich mit fremden Federn schmückt und dabei das Bild des eitlen Gockels verkörpert.

Der Bestohlene seinerseits, der Strauß, den wir gemeinhin als eitlen Gockel wahrnehmen, hat für dieses Verhalten nur einen verwunderten Blick übrig. Ihm und den anderen Tieren Möllers scheint derartiges Gehabe ganz und gar fremd zu sein.

Die Ausführung ist von Möller signiert (Siegfried Möller Fec. 1962). Dies weist darauf hin, dass der Dekor von ihm selbst aufgebracht wurde. Die liebevolle Ausführung der Handkoloration unterstreicht dies.

Mit dem Erwerb des Tête-à-Tête aus dem Service „Victoria la Couronne – Das Paradies“ und der Ausstellung im Museum Schloss Fürstenberg kann diese außergewöhnliche Geschichte nun wiedererzählt werden. Der Freundeskreis knüpft damit auch an die frühere Förderung einer Ausstellung im Jahr 2012 an: „Der Ausdruck des Wesentlichen – Porzellan und Keramik von Siegfried Möller (1896-1970)“. Hierzu ist in der Schriftenreihe des FFP ein gleichnamiges Begleitbuch erschienen, in dem Thomas Krüger, damaliger Leiter des Museums, das Schaffen Möllers umfangreich beleuchtet (vgl. Literatur und Links).